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Neue Zeit, neues Europa, neue Folter
 15. Mai 2004 
                  
                   
 
 Liebe Leser,
 nun ist Europa schon mehr als vierzehn Tage ein
                  Gegengewicht zu Amerika, aber die
                  Europafeierlichkeiten hier waren einfach nicht so
                  doll, wie z.B. in Malta, denn "Rhein in Flammen" am
                  1. Mai war den Bonnern immer noch näher als
                  verordneter Jubel aus Brüssel. Da wir hier
                  einfach mehr Erfahrung mit Regierung haben als die
                  neue Bundeshauptstadt, läßt die meisten
                  Bonner die Brüsseler Ausweitung der Kompetenz
                  auf ein Riesenreich relativ cool.... " et juckt ens
                  nit". Auf die Frage "Wie isset?" kann ich als
                  gelernter Bonner immer noch mein "Joot!" schmettern
                  und auf das dann fällige "Und sonns?" kommt
                  natürlich "Et kütt, wie et kütt!"
                  Joot. Sehn wir alles positiv. Im Ernst.
 Denn wichtiger als der Verschub der
                  Arbeitsplätze in die Länder, die
                  geringere Löhne zahlen, erscheint mir die
                  Tatsache, daß auf halbwegs friedlichem Weg
                  erstmals eine Reise- und Kulturfreiheit in Europa
                  herrscht, die einmalig auf der Welt ist. Das neue
                  Europa hat die Qualitäten des alten
                  Abendlandes, eine überaus alte und reiche
                  Kultur, die nun allen offensteht, ein dezentraler
                  Reichtum an Ideen, Produktion, Wissen und Kultur,
                  den es so als Weltverbund noch nicht mal unter Karl
                  V. gegeben hat, in dessen Reich die Sonne
                  bekanntlich nicht unterging. Also ein "altes
                  Europa" (Donald Rumsfeld), das expandiert,
                  prosperiert und vermutlich demnächst auch
                  dominiert und das ist vermutlich auch nötig,
                  wenn man den Niedergang der USA sieht. Ich mag nicht glauben, daß die
                  Folterbilder der letzten Tage lediglich ein
                  skurriler "Spaß" der Soldatin Lyndie England
                  sein sollen. Zu perfekt ist die Häufung von
                  tödlichen Beleidigungen, seelischen und
                  körperlichen Vergewaltigungen, als daß
                  sich dies ein oder zwei Personen ausdenken
                  können. Dahinter steckt System und profunde
                  Kenntnis der Werte, die einem Iraki wichtig sind,
                  damit man seinen Willen brechen kann. Der Feind
                  wurde sorgfältig studiert, damit man ihn
                  besser treffen konnte. Psychologische
                  Kriegführung nennt man so etwas und
                  Geheimdienste wie die CIA sollen da sehr fit drin
                  sein. Darum ist nicht glaubhaft, daß Lyndie
                  England persönlich gefehlt hat. Wahrscheinlich
                  ist sie der Sündenbock, die nützlichen
                  Idiotin für CIA und Freunde, weil die genau
                  wissen, wie man einen Iraki am schlimmsten
                  beleidigt, aber sie brauchen ausführende
                  Soldaten, die die Verbrechen auch begehen. (Hitler
                  hatte dafür seine SS). Offiziere wissen
                  durchaus, wie man in Verhören so foltert,
                  daß man vorzeigbare Ergebnisse hat, wie man
                  den Willen des Feindes bricht und Amnesty hat
                  bestimmt diverse Protokolle im Giftschrank, die man
                  bisher der USA nicht unter die Nase reiben durfte,
                  wollte man sich nicht des Pinkelns an den
                  Leuchtturm und damit der
                  "Majestätsbeleidigung" schuldig machen. Unter
                  Wilhelm II. war dies zwar strafbar - heute gibt es
                  das aber formal nicht mehr - noch nicht. "Guckt
                  mal", könnten wir jetzt sagen, "so
                  häßlich ist das Gesicht des
                  Nachkriegs-Iraks. Steinzeit in Amerika, Barbarei in
                  Washington, Triebtäter im Militär.... "
                  Das Vorbild für Freiheit und Demokratie? Dann
                  lieber gar keins als dieses. Wer wollte, konnte schon vor Jahren
                  herauskriegen, daß die USA mindestens so nett
                  zu Kriegsgefangenen und Minderheiten waren wie z.B.
                  die türkische Regierung zu den Kurden.
                  Geglaubt haben die meisten es nie, aber nun
                  müssen sie sich die Videos anschauen und die
                  Auseinandersetzung aus den Siebziger zwischen
                  "Terror" (Schreckensherrschaft der Regierenden)
                  gegenüber "Terrorismus" (Auflehnung gegen
                  diese Schreckensherrschaft) wird vermutlich
                  demnächst neu geführt werden. Man lese
                  nur nach, was anerkannte Denker wie Marcuse oder
                  Horkheimer (Frankfurter Schule) über die
                  Differenzierung zwischen "Terror" und "Terrorismus"
                  geschrieben haben und man wird zur Überzeugung
                  kommen, daß in Amerika die
                  Götterdämmerung längst eingesetzt
                  hat. Es ist nicht das Problem, ob Donald Rumsfeld
                  rausfliegt oder nicht, ob sich Bush und Blair noch
                  mehr blamieren, als den unbedarften Europäern
                  überhaupt vorstellbar war. Das Problem ist das
                  Video, das zeigt, daß der Leuchtturm von
                  Freiheit, Menschenwürde und Humanität
                  nicht mehr existiert, sondern daß unter dem
                  Mäntelchen der Demokratie KZ-Methoden
                  herrschen. Amerika zieht allmählich mit
                  Nazi-Deutschland gleich und die USA verabschiedet
                  sich aus der Weltgemeinschaft und wird genauso, wie
                  die Diktaturen und Bananenrepubliken, die sie
                  angeblich immer bekämpft hat. Die "neue" USA
                  als imperiale Macht, als Folterstaat, als
                  UN-Verweigerer, der noch nicht mal den
                  Jahresbeitrag bezahlt. ... Man muß die
                  amerikanische Bevölkerung einfach dazu
                  auffordern, diese unsägliche Regierung, die
                  Leitung der CIA und die Spitzen der Army und in die
                  Wüste zu schicken. Man könnte sie
                  vielleicht in den Haag anzeigen. Nein, lieber ein
                  "altes" (neues) Europa als diese USA! MS
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